Oftmals wird von Fotografen empfohlen, entweder viele Bilder von einem Motiv zu machen und sich im Nachhinein zu entscheiden, oder aber im Gegenteil, sich Zeit zu nehmen und mit wenigen möglichen Aufnahmen auszukommen. Wie aber helfen uns diese Methoden, Fotografie zu lernen?
Beide Ansätze trainieren insofern das Auge, als man stets die Kamera nutzt und sich entscheidet – im einen Fall beim nachträglichen Betrachten, im anderen beim Fotografieren selbst. Den
Unterschied machen Zeitpunkt der Auswahl und in die Bilder gesteckte Überlegung.
Wie im letzten Artikel über Prioritäten bereits erwähnt, sollte man zum Lernen immer die effizienteste Möglichkeit finden, wenn man schnell und zielgerichtet vorankommen möchte. Und meiner
Meinung nach gibt es ein wirklich effizientes Werkzeug, um Fotografieren zu lernen.
Visualisierung: Ein variables Hilfsmittel
In einem Artikel namens „Iteratives Fotografieren“ habe ich eine Lernmethode angesprochen, die es ermöglicht, sehr schnell
Ergebnisse zu erzielen und zu überprüfen. Damals habe ich bereits das Wort ‚Visualisieren‘ verwendet, doch mir ist aufgefallen, dass ich nie erklärt habe, was genau ich damit meine! Hier also die
Aufklärung und ein Ansatz, wie man diese Technik lernen und anwenden kann.
Ein Bereich, wo die Technik der Visualisierung bereits regelmäßig bewusst angewandt wird, um die motorische Präzision zu steigern und um bei komplexen Bewegungsabläufen Fehler zu vermeiden, ist
der Leistungssport. Der Vergleich mag seltsam wirken; wer jedoch einmal Videomaterial von Cartier-Bresson bei seiner Dokumentartätigkeit gesehen hat, kommt gewiss nicht umhin, an Leistungssport
zu denken… Kleiner Scherz.
Ist es denn nicht viel logischer, bei einem visuellen Medium wie der Fotografie Ergebnisse zu visualisieren? Gerade hier muss es doch fast eine Vorbedingung für konsistenten Erfolg sein! Meine
These ist, dass Fotografen diesen Teil Ihrer Arbeit oft übersehen und sich daher auf technische Faktoren konzentrieren.
Fotos visualisieren
Visualisierung trainiert nicht das Auge, sondern die Vorstellungskraft. Man sieht also ein Motiv oder eine Szene und stellt sich vor, aus welchem Winkel und mit welchem Bildausschnitt man
fotografieren möchte. Erst dann nimmt man die Kamera zur Hand (oder besser, ans Auge) und überprüft seinen Standpunkt. Vorteil hierbei: Von vornherein sieht man nicht nur den fertigen Ausschnitt,
sondern das gesamte Bild vor sich. Man achtet mehr darauf, wie Objekte zueinander stehen und wie das Licht fällt.
So ist es möglich, dass man, mit genügend Erfahrung, die Resultate vorhersagen und die nötigen Einstellungen im Vorhinein vornehmen kann. Vielleicht liegt es ja an der Fähigkeit zu visualisieren,
dass Menschen wie Henri Cartier-Bresson, der ursprünglich aus der Malerei kam, so hervorragende Fotografen sind!
Übungen
Abschließend möchte ich euch drei Wege zeigen, wir den Visualisierungsprozess bewusst üben und anwenden könnt, die mir persönlich sehr geholfen haben:
- Geht öfter zu Fuß, sucht bewusst nach Szenen! Nehmt eure Kamera dabei nicht mit, sondern stellt euch die fertigen Bilder nur vor. So lernt ihr, fotogene Szenen zu erkennen und im Kopf umzusetzen.
- Wenn ihr eine Szene in der Stadt seht (einen Ort oder etwas Unveränderliches wie zum Beispiel ein bestimmtes Haus), stellt euch dieselbe Szenerie bei anderem Licht, mit anderen Wetterbedingungen vor. Wann sähe sie am besten aus? Macht euch eine Notiz und kehrt mit der Kamera zurück, sobald die Bedingungen euren Vorgaben entsprechen.
- Die ultimative Herausforderung. Stellt euch eine Szene vor, und versucht, sie mit möglichst wenig Inszenierung einzufangen. Sucht eine passende Szenerie, recherchiert, wie das Licht fallen wird, achtet auf das Wetter und fangt eure Vision ein!
Was haltet ihr von dieser Technik? Hinterlasst mir gerne einen Kommentar und lasst mich wissen, wie ihr Fotografieren lernt!
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